Klausur (Beispiel) (Thema: Effi Briest)

Eine beispielhafte Klausur zu Effi Briest von Theodor Fontane mit Musterlösung (GK, NRW, 2008)

1. Einleitung


Diese Klausur zum Thema „Effi Briest“ wurde in einem Deutsch GK in NRW Anfang 2008 gestellt. Die Klausur und die dazugehörige Lösung wurde von Manuel eingesendet, ein Dank dafür an dieser Stelle! Die Lösung hat die volle Punktzahl (1+) erzielt (Glückwünsche gibt’s also auch noch ;) ).
Die Klausur ist in zwei Unterbereiche (1. Thema und 2. Thema) mit jeweils zwei Aufgaben eingeteilt. Ein Unterbereich musste bearbeitet werden. Die Lösung behandelt daher nur den ersten Unterbereich (1. Thema). Der Vollständigkeit halber wurden die Aufgaben zum zweiten Unterbereich (2. Thema) trotzdem hinzugefügt, auch wenn es dafür dann keine Musterlösung gibt.

Die hier aufgeführte Lösung zu den Aufgaben „1. Thema, Aufgabe 1“ und „1. Thema, Aufgabe 2“ wurde weitestgehend wörtlich aus dem Original übernommen. Die (wenigen) angestrichenen Fehler wurden allerdings korrigiert.


2. 1. Thema


2.1. Aufgabe 1


Aufgabe 1: Geben Sie den Gedankengang des Textes wieder und überprüfen Sie, ob Sie Fontanes Position in dem Konzept der Figurengestaltung des Barons von Instetten wiederfinden. (40%)


Theodor Fontanes Brief an Georg Friedlaender

Berlin, 12. April 94- Potsd. Str. 134c (Klett-Ausgabe S. 323)

Hinweis: Die Zeilen aus dem Originaltext sind jeweils nummeriert mit (1) bis (19). In den Lösungen werden dann diese Zeilenangaben verwendet.

(1) [...] Ich habe nichts gegen das Alte, wenn man es innerhalb seiner Zeit läßt und aus dieser heraus beurtheilt; der
(2) sogenannte altpreußische Beamte, der Perrückengelehrte des vorigen Jahrhunderts, Friedrich Wilhelm I., der
(3) Kürassieroffizier, der mehrere Stunden Zeit brauchte, eh er sich durch sein eigenes Körpergewicht in seine
(4) nassen ledernen Hosen hineinzwängte, die Ober-Rechenkammer in Potsdam, der an seine Gottesgnadenschaft
(5) glaubende Junker, der Orthodoxe, der mit dem Lutherschen Glaubensbekenntniß steht und fällt, - all diese Personen
(6) und Institutionen finde ich novellistisch und in einem „Zeitbilde“ wundervoll, räume auch ein, daß sie
(7) sämmtlich ihr Gutes und zum Theil ihr Großes gewirkt haben, aber diese todten Seifensieder immer noch als
(8) tonangebende Kräfte bewundern zu sollen, während ihre Hinfälligkeit seit nun gerade hundert Jahren, und mit
(9) jedem Jahre wachsend, bewiesen worden ist, das ist eine furchtbare Zumuthung. Von meinem vielgeliebten Adel
(10) falle ich mehr und mehr ganz ab, traurige Figuren, beleidigend unangenehme Selbstsüchtler von einer mir ganz
(11) unverständlichen Bornirtheit, an Schlechtigkeit nur noch von den schweifwedelnden Pfaffen (die immer an der
(12) Spitze sind) übertroffen, von diesen Teufelskandidaten, die uns diese Mischung von Unverstand und brutalem
(13) Egoismus als „Ordnungen Gottes“ aufreden wollen. Sie müssen alle geschmort werden. Alles antiquiert! Die
(14) Bülows und Arnims sind zwei ausgezeichnete Familien, aber wenn sie morgen von der Bildfläche verschwinden,
(15) ist es nicht blos für die Welt (da nun schon ganz gewiß), sondern auch für Preußen und die preußische Armee
(16) ganz gleichgültig und die Müllers und Schultzes rücken in die leergewordenen Stellen ein. Mensch ist Mensch.
(17) [...] Indessen der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht; in den eigenen Reihen dieser Leute wird es zur
(18) Revolte kommen und alle die, die das Herz auf dem rechten Flecke haben, werden sich von den selbstsüchtigen
(19) Radaubrüdern scheiden. [...]

Theodor Fontane: Briefe. Carl Hanser 1982, S. 341 ff.


2.2. Lösung zu Aufgabe 1


Der vorliegende Textauszug stammt aus einem Brief, den Theodor Fontane an Georg Friedlaender geschrieben hat, welcher 1982 in München in „Theodor Fontane: Briefe“ veröffentlicht wurde. In dem Auszug bewertet Fontane, was er als alte Personen und Institutionen bezeichnet und erläutert ihre Hinfälligkeit. Er bezeichnet das Herrschafts- und Gesellschaftsbild seiner Zeit („der sogenannte altpreußische Beamte, ... Friedrich Wilhelm I., ... die Ober-Rechenkammer, ... der an ... Gottesgnadenschaft glaubende Junker, der Orthodoxe“ Zeile 1-5) als alt („das Alte“ Zeile 1), und ist der Meinung, dass sie allenfalls in ihrer Zeit gut gewesen seien („in einen ‚Zeitbilde’ wundervoll“ Zeile 6; „ihr Gutes und ... ihr Großes gewirkt haben“ Zeile 7), jedoch nun aber veraltet und unangebracht seien („todtem Seifensieder“ Zeile 7; „ihre Hinfälligkeit ... bewiesen ... ist“ Zeile 8-9; „furchtbare Zumuthung“ Zeile 9). Die Werte des Adels, die er einst schätzte („meinem vielgeliebten Adel“ Zeile 9), widern ihn nun an („traurige Figuren“ Zeile 10; „Selbstsüchtler“ Zeile 10; „Bornirtheit, ... Schlechtigkeit“ Zeile 11). Er fordert, dass alle diese veralteten („antiquiert“ Zeile 13), falsch herrschenden Werte („die uns ... Unverstand und ... Egoismus als ‚Ordnung Gottes’ aufreden wollen“ Zeile 12-13) radikal abgeschafft werden („Sie müssen alle geschmort werden“ Zeile 13).
Zur Erläuterung führt er an, dass gewisse angesehene adelige Familien verschwinden und problemlos durch andere ersetzt werden könnten, und der Verlust allgemein nicht stören würde („Die Bülows und Arnims ... in die leergewordenen Stellen ein.“ Zeile 13-16), eine Feststellung, welche die zuvor erwähnte Hinfälligkeit bestätigt. Er sieht voraus, dass mehr Menschen seine Ansicht teilen und versuchen werden, die Situation in seinem Sinn zu ändern („in den eigenen Reihen ... Radaubrüdern scheiden.“ Zeile 17-19).
Zwischen diesen Ansichten und denen von Instetten bestehen auffällige Gemeinsamkeiten. Dies wird insbesondere in Kapitel 27 deutlich. Dort beschreibt Instetten, dass ihn die Gesellschaft zum Handeln, zum Duell zwingt und auf ihn bzw. auf seine eigenen moralischen Werte keine Rücksicht nimmt („mag ich nicht Blut an den Händen haben; ... keine Wahl. Ich muss.“ Seite 235, Zeile 33-36). Ebenfalls verurteilt er die Gesellschaft („Die Welt ist einmal, wie sie ist, ... solange der Götze gilt.“ Seite 237, Zeile 7-12), drückt jedoch auch gleichzeitig seine Ohnmacht gegenüber dieser aus. Darin besteht ein Unterschied zu Fontanes Position, der, wenn auch nur implizit, fordert, diese Missstände abzuschaffen. Instetten fügt sich stattdessen der Gesellschaftsordnung („man gehört einem ... abhängig von ihm.“ Seite 235, Zeile 12-14).
Fontanes Konzept spiegelt sich also in Instettens Figurengestaltung wider, jedoch lässt er Instetten dem Zwang erliegen, was angesichts seines Alters auf Gewohnheit zurückgeführt werden kann.



2.3. Aufgabe 2


Aufgabe 2. Interpretieren Sie das 27. Kapitel – im Kern das Gespräch mit Wüllersdorf (S.233 bis 237) – und erläutern Sie wo Sie eine Verbindung zu den Aussagen des Briefes sehen. (60%)


2.4. Lösung zu Aufgabe 2


Das Gespräch zwischen Wüllersdorf und Instetten im 27. Kapitel findet statt, nachdem Instetten zufälligerweise die Briefe von Major Crampas an Effi gefunden und anschließend gelesen hat.
In dem Gespräch, welches nach dem Auffinden der Briefe den Kern des Kapitels darstellt, erläutert Instetten Wüllersdorf seine Lage und bittet ihn, das Duell zu organisieren und dabei sein Sekundant zu sein.
In diesem Gespräch widerspricht Wüllersdorf seinem Vorgesetzten und versucht, ihn zu überreden die Sache zu vergessen. Damit übernimmt er den Teil von Fontanes Standpunkt, der Instetten fehlt (siehe Lösung zu Aufgabe 1). Wüllersdorf versucht, sich gegen die geltende Auffassung durchzusetzen.
Schon zu Beginn, bevor Instetten den Grund für ein Duell nennt, kritisiert Wüllersdorf bereits das Duell an sich („Muss es sein? ... dabei mitzumachen.“ Seite 233, Zeile 20-21), bleibt sich aber seines Ranges und seiner Pflicht bewusst („missverstehen sie mich nicht ... etwas abschlagen“ Seite 233, Zeile 22-23; „Sie wissen, Instetten, ... verzeihen sie mir die naive Vorfrage“ Seite 233, Zeile 18-19). Er ist dann über den Grund sehr überrascht, und spricht die lange Zeit an, die bereits vergangen ist. Instetten fasst dies richtigerweise als weiteren Einwand auf („Es sieht fast so aus ... Theorie gelten zu lassen“ Seite 234, Zeile 1-5). Wüllersdorf sieht in der Frage der Verjährung den springenden Punkt („um diese Frage scheint sich hier alles zu drehen“ Seite 234, Zeile 7) und macht Instetten neugierig. Er erläutert ihm seine Ansicht („Instetten, ihre Lage ... Steht es so?“ Seite 234, Zeile 13-19), mit der er Instetten nachdenklich und ratlos macht („Ich weiß es nicht“ Seite 234, Zeile 20). Wenn Instetten sagt, er habe keine Rachegefühle, scheint er von Wüllersdorfs Idee der Verhährung überzeugt worden zu sein („Es steht so, dass ich ... Durst nach Rache“ Seite 234, Zeile 27-29; „Ich hätte nie gedacht ... so wirken könne“ Seite 234, Zeile 33-34), jedoch „muss es trotzdem sein“ (vgl. Seite 235, Zeile 11), denn nach Instettens Ansicht kann man nicht handeln, wie es einem gefällt („man gehört einem Ganzen an ... abhängig von ihm“ Seite 235, Zeile 12-14; „jenes, wenn Sie wollen, uns ... Ich habe keine Wahl, ich muss“ Seite 235, Zeile 34-36). Wüllersdorf kann er nicht recht überzeugen („Ich weiß doch nicht, Instetten ...“ Seite 235, Zeile 37; „Ich weiß doch nicht“ Seite 236, Zeile 17), bis er ihm das Dilemma aufzeigt, die negative Seite, die auf Instetten wartet, wenn er auf Rache verzichtet, dass Wüllersdorf als Mitwisser ausreicht („jetzt stecke ich in einer Sackgasse“ Seite 236, Zeile 5; „weil dieser Mitwisser ... nicht mehr zurück“ Seite 236, Zeile 15-16; „es gibt keine Verschwiegenheit“ Seite 236, Zeile 21-22; „Habe ich Recht, ... oder nicht?“ Seite 237, Zeile 4). Wüllersdorf ist schließlich überzeugt und akzeptiert Instettens Vorhaben, wenn er auch nicht glücklich damit ist („Die Welt ist einmal ... solange der Götze gilt.“ Seite 237, Zeile 7-12).

Dies bestätigt die These, dass Wüllersdorf Fontane vertritt. Zwar trägt auch Instetten einige von Fontanes Ideen in sich, jedoch ist es Wüllersdorf, welcher dazu aufruft, sich gegen überkommene Ehr-Auffassungen zu wehren. Fontane lässt unterschwellig seine eigenen Ansichten zunehmend in das Gespräch einfließen, indem er Wüllersdorfs Einwände immer drastischer werden lässt, bis er Instetten überzeugt hat, der aber trotzdem Gefangener der Gesellschaft bleibt. Fontanes „rebellisches“ Konzept vom Widerstand gegen (unsinnige) gesellschaftliche Bräuche scheitert, da Instetten ein eher typischer Mensch ist: Er neigt zur Anpassung an die Gesellschaft, nicht zum Kampf gegen diese. Er hat keine radikalen Gedanken. Er ist aber Wüllersdorf Vorgesetzter, kann diesem Anweisungen erteilen und daher ist Wüllersdorf ebenso in gesellschaftlichen Zwängen gefangen wie Instetten, muss sich ebenso fügen und stimmt schließlich dem Duell und damit der Tradition zu.


3. 2. Thema


3.1. Aufgabe 1


Aufgabe 1: Analysieren Sie aus dem 15. Kapitel die Erzählpassage von S.116 bis S. 121 unter besonderer Berücksichtigung der Erzählweise. (80%)


3.2. Aufgabe 2


Ausgabe 2: Erläutern Sie, von Ihren Interpretationsergebnissen ausgehend aus Fontanes Realismus-Konzept den Satz: „Realismus ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens im Elemente der Kunst.“ (20%)
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