Die Türhüterlegende bzw. die Parabel "Vor dem Gesetz" (Thema: Der Prozess)

Informationen zur Türhüterlegende aus Franz Kafkas "Der Prozess"

1. Vorabinformation


Die Türhüterlegende wird Josef K. vom Gefängniskaplan im Dom erzählt. Sie wird auch als die Parabel „Vor dem Gesetz” bezeichnet.


2. Inhaltsangabe

Auch: Zusammenfassung, Inhalt

Ein Mann vom Land will Zutritt zum Gesetz haben. Um diesen Zutritt allerdings zu erhalten muss er vorher eine Tür passieren, die von einem Türhüter bewacht wird. Die Tür stellt also sozusagen den Zugang, den Schlüssel zum Wissen über das Gesetz dar.
Jedoch verweigert der Türhüter dem Mann vom Lande den Zutritt. Gleichzeitig gibt er aber auch an, dass der Mann möglicherweise einmal passieren dürfe. Das könne man jetzt noch nicht mit Gewissheit sagen. Natürlich könnte dieser auch einfach versuchen, ohne Erlaubnis durch die Tür zu gehen. Er, der Türhüter, sei aber „mächtig”. Mehr noch: Direkt nach ihm würden mehrere weitere Türhüter folgen, die alle noch mächtiger seien als er und an denen der Mann ebenfalls erstmal vorbeikommen müsse, um zum Gesetz zu gelangen. Schon der Anblick des dritten Türhüters sei kaum mehr zu ertragen. Er selbst stehe in der Hierarchie nur ganz unten.

Der Mann ist enttäuscht von dieser ungerechten Behandlung, will aber dennoch nicht aufgeben. Der Türhüter gibt dem Mann einen Schemel und lässt ihn seitwärts vom Tor sich niedersetzen. Der Mann beginnt zu warten. Tage, Monate, Jahre. Immer wieder bettelt er um Einlass und versucht, den Türhüter zu bestechen. Die Geschenke nimmt der mächtige Mann zwar an, er tue dies aber nur, damit der Mann vom Lande nicht glaubt, „etwas versäumt zu haben”. Einige Male stellt der Türhüter Fragen, aber diese bleiben immer oberflächlich.

Doch der Mann vom Lande wartet weiter. Er vergisst, dass seine Reise auch nach diesem Türhüter noch lange nicht beendet wäre. Weitere Türen, mit mächtigeren Hütern würden folgen. Dennoch sieht er nur noch diesen einen. Diesen einen Mann, der ihm im Weg steht. Er konzentriert sich so sehr auf ihn, dass er sogar die Flöhe in dessen Pelz erkennen kann. Verzweifelt bittet er selbst diese um Hilfe.

Der Mann wartet weiter. Sein Verhalten wird immer mehr von Verzweiflung geprägt. Er wird erst kindisch, dann ruhiger, währenddessen immer älter. Seine Augen versagen langsam den Dienst und er bekommt Schwierigkeiten damit, das Licht zu sehen. Eine merkwürdige Dunkelheit umgibt ihn. Nur hinter der Tür scheint das Licht hell zu leuchten. Seine Knochen werden müder und es wirkt, als wäre der Türhüter mit der Zeit immer größer und größer geworden. Auch sein Gehör wird schlecht. Man muss ihn inzwischen anschreien, damit er überhaupt noch etwas hört.

Kurz vor seinem Tod will er eine letzte Frage stellen: „Alle streben nach dem Gesetz (...) wieso kommt es dann, dass in den vielen Jahren niemand außer mir Einlass verlangt hat?” Der Türhüter gibt nur als Antwort: „Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt.” Dann geht er und schließt die Tür.


3. Verbindungen zu "Der Prozess"

Teilweise auch: Interpretation, Analyse, Erörterung

Eine Interpretation der Parabel ist ähnlich problematisch wie eine Interpretation von „Der Prozess”. Es lassen sich eine Unzahl von möglichen Deutungen finden, z.B. im biographischen oder auch im psychologischen Bereich.
Trotzdem kann man einen kurzen Blick auf die Parallelen zwischen „Der Prozess” und „Vor dem Gesetz” werfen. So entspricht Josef K. offensichtlich dem Mann vom Lande. Beide wollen Zugang zum Gesetz erlangen und beide sind darin nicht erfolgreich. Die Art, wie der Mann versucht, mit Hilfe der Flöhe den Türhüter umzustimmen, erinnert ebenfalls an Josef K.s Verhalten: Josef spricht mit mehreren verschiedenen Personen, die irgendwelche, flüchtig beschriebenen Kontakte zum Gericht haben wollen und die versprechen, diese zu Josefs Gunsten zu verwenden. Er bringt also immer nur Leute auf seine Seite, die kaum etwas mit dem System zutun haben, nie dringt er zum Kern des Gerichts vor. Mehr noch: Die Leute wollen häufig im Gegenzug etwas von ihm, z.B. Geld, oder körperlichen Kontakt. Sie sind Nutznießer des Gerichts und leben von diesem, ohne irgendwem wirklich zu nutzen.

Interessant ist auch die Fixierung beider Personen auf das Gesetz bzw. auf das Gericht. Beide scheitern an eben dieser Fixierung. Niemand hätte den Mann vom Lande daran gehindert, sich von der Tür zu entfernen und ein normales Leben zu führen. Geht man vom Zitat des Gefängniskaplans aus, dann gilt offenbar auch selbiges für Josef K. Auch er hätte einfach nicht mehr zum Gericht gehen können, entschied sich aber für das Gegenteil und besiegelte damit seinen eigenen Tod.
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