Emilia Galotti (Thema: Emilia Galotti)

Charakterisierung der Person "Emilia Galotti" aus dem gleichnamigen Werk von Lessing

Schnellübersicht
  • Emilia ist jung, recht attraktiv und gutaussehend, etwas naiv.
  • Sie wurde religiös aufgezogen und ist äußerst tugendhaft. Sie glaubt fest an Keuschheit, Treue, Gehorsam und Ehre.
  • Sie ist völlig unerfahren im Umgang mit dem anderen Geschlecht.
  • Die Liebesbeichte des Prinzen schockiert sie. Sie findet aber auch die erotische Atmosphäre am Hof anziehend.
  • Sie ist nicht fähig, den Prinzen zu manipulieren oder gar zu töten, um sich aus seinen gierigen Fängen zu befreien (Kontrast zu Orsina). Ihre Wertvorstellungen verbieten solch ein Verhalten.
  • Auch ihr Vater ist nicht wirklich fähig ihr zu helfen.
  • Sie befürchtet, sich dem Prinzen hinzugeben, wenn dieser nur lange genug um sie buhlt (=Sie würde zu seiner Mätresse werden). Dies würde ihren Wertvorstellungen zuwider laufen (Verletzung der Treue, Ehre, Keuschheit).
  • Da sie den Prinz nicht töten und sein Verlangen nicht verringern kann (würde ihre Wertvorstellungen verletzen) und eine Flucht unmöglich ist (Prinz zu mächtig) lässt sie sich von ihrem Vater töten.
  • Letztlich stirbt sie, da ihre Wertvorstellungen zu starr und dem Prinzen nicht gewachsen, sowie für sie zu wichtig sind. Bereits geringe Anpassungen hätten ihr Leben gerettet.



1. Kurze Inhaltsübersicht


Lessings Emilia Galotti ist die Tochter des Bürgerlichen (vom Verhalten) Odoardo Galotti, der als hoher Offizier dem niedrigen Adel angehört in innerer Opposition zu seinem Dienstherrn, dem Prinzen Hettore Gonzaga steht. Dieser ist ein ebenso charmanter, wie skrupelloser Potentat, der einzig für seine Launen und Vergnügungen lebt. Emilia hat es ihm angetan, und er hat deshalb sogar seine Mätresse Orsina abserviert. Pech nur, dass Emilia an den Grafen Appiani versprochen ist. Auf diese Wahl ist ihr Vater sehr stolz, denn der Graf steht nicht in Abhängigkeit zum Hof und entspricht dessen moralischen Vorstellungen. Ohne einen ausdrücklichen Befehl zu geben, lässt Prinz Gonzaga den Grafen Appiani auf dem Weg zu seiner Trauung mit Emilia Galotti von seinem Kammerherrn, dem Marchese Marinelli, durch Meuchelmörder beseitigen. Er weiss es so einzurichten, dass Emilia und ihre Mutter Zuflucht auf seinem nahegelegenen Schloss suchen müssen. Emilia ist völlig ahnungslos, während ihre Mutter bald die wahren Zusammenhänge ahnt, einem Arrangement mit dem Prinzen aber offenbar durchaus nicht abgeneigt ist. Wenig später treffen Orsina, die Mätresse des Prinzen und Odoardo, Emilias strenger Vater ein. Orsina schenkt dem Vater unverblümt reinen Wein ein, betont die Gefahr in der Emilia schwebt und bietet ihm schließlich ihren eigenen Dolch an, damit er sie selbst und Emilia räche, und Gonzaga tötet. Odoardo aber hat die Vorstellung von der gottgewollten Herrschaft des Adels verinnerlicht, er kann dem Charme des Prinzen nicht widerstehen, und will die Entscheidung einer göttlichen Instanz überlassen. Er will Emilia in ein Kloster schicken, doch Fürst Gonzaga ist er nicht gewachsen. Der verweigert Emilias Herausgabe unter dem Vorwand, erst die Untersuchung gegen die "Wegelagerer", die Appiani umgebracht haben, abzuwarten. Emilia ist zugleich abgestossen und fasziniert von Gonzaga. Sie ahnt die Zusammenhänge immer deutlicher, glaubt aber der Verführung des Prinzen auf Dauer nicht gewachsen zu sein, und fleht ihren Vater verzweifelt an, ihr einen Dolch zu geben, damit sie sich vor ihrer Entehrung selbst töten kann. Auf ihre wiederholte Bitte tötet sie ihr Vater, vermutlich weil Selbstmord in seiner Werteordnung eine Todsünde ist.



2. Zur Person Emilia Galotti


Emilia Galotti ist ein junges, etwas naives und behütet aufgewachsenes Mädchen. Sie ist in dem Wertekanon ihres adligen Vaters,der auf dem Land wohnt, erzogen und stellt diese Prinzipien und Tugenden, die sie tief verinnerlicht hat, nicht in Frage. Sie glaubt fest an Werte wie Ehrgefühl, Gehorsam und Keuschheit und ist sehr religiös eingestellt.

Bedingt durch diesen eigenen Wertekanon und bedingt durch die allgemeinen gesellschaftlichen Ansichten dieser Zeit, ist sie im Umgang mit dem anderen Geschlecht weitestgehend unerfahren. Die feurige Liebesbeichte des Fürsten Gonzago, die er ihr am Morgen in der Kirche macht, schockiert sie zutiefst. Emilia ist völlig unbedarft und empfindet die verfeinert-dekadente erotische Atmosphäre des Hofs als bedrohlich, andererseits aber auch als faszinierend und anziehend.

Damit bildet sie einen Kontrast zu Orsina, der ehemaligen Mätresse des Prinzen. Diese ist gebildet und ein Freigeist - und auf dem Terrain des Hofes bereits überaus erfahren. Sie fühlt sich nicht irgendwelchen Abstrakten Werten wie "Ehre" verpflichtet. Orsina ist die einzige, die zum Tyrannenmord bereit ist, wenn auch aus persönlichen Motiven, denn im Grunde liebt sie den Prinzen noch und ist gekränkt von dessen kaltherziger Abfuhr. Doch im Gegensatz zu Emilia ist sie ihm auch gewachsen. Sie hat die Vorstellung der Überlegenheit des Prinzen nicht verinnerlicht, wie Emilia und ihr Vater es getan haben - dazu kennt sie ihn auch viel zu gut. Und sie ist es, die nicht durch anerzogene oder gesellschaftliche Werte beeinträchtigt wird. An Emilias Stelle könnte sie den Prinzen umbringen - aber sie ist nun mal nicht an Emilias Stelle.

Etwas flapsig ausgedrückt könnte man sagen, Emilia Galotti sei ein "naives Dummchen".
Etwas genauer ausgedrückt müsste es wohl heißen, dass ihre Tugendhaftigkeit und ihre anerzogenen Werte für eine bürgerliche, recht einfache Welt geschaffen wurden - nicht für die Welt des Hofes bzw. des absolutistischen, egoistischen Adels.
Gerade dieser Umstand ist Emilias Tragik. Sie ist es, die schließlich keinen anderen Ausweg mehr sieht, als den Selbstmord. Emilia durchschaut zwar durchaus, dass Gonzago nur sich selbst liebt und seine Zuneigung zu ihr verschwinden wird, sobald sie sich ihm hingibt, sobald sie "erreichbar" wird. Um aber wie Orsina eine solche "Intrige" bewusst durchzuführen und sich selbst "erreichbar" zu machen, müsste sie gegen alles verstoßen, was ihr beigebracht wurde. Gleiches gilt dafür, auch nur zu erwägen, den Fürsten mit den Waffen einer Frau zu manipulieren, zu hintergehen und dann vielleicht zu töten, um so endlich in Frieden leben zu können.
Eine Flucht bleibt selbstverständlich auch ausgeschlossen - der Prinz würde sie ohnehin überall finden.

Bliebe noch, ihren Vater zu bitten, ihre Ehre wiederherzustellen. Der wäre nach seinen eigenen Normen, seinem eigenen Ehrenkodex dazu verpflichtet, Emilia zu helfen, doch er ist dazu nicht in der Lage. Er müsste den Prinzen töten, um den Mord an Appiani zu rächen und um das Verhalten des Prinzen gegenüber Emilia zu vergelten. Odoardo aber ist zu "schwach" dafür, zu tugendhaft, genauso wie es auch Emilia ist. Schließlich lebt Emilia nur mit den selben Wertvorstellungen, die ihr Vater ihr beigebracht hat - und er hat ihr beigebracht, woran er selbst glaubt. Ein Mord an dem Prinzen ist also für beide ausgeschlossen.

Mitten in der "Höhle des Löwen", also im Schloss des Prinzen, bleibt Emilia nicht viel Zeit, ihre Lage zu reflektieren. Sie entschließt sich am Ende für den einzigen Weg, den sie sieht und der Konform mit ihren Wertekanon läuft: Den indirekten Selbstmord.
Im Gegensatz zu ihrem Vater ist sie bereit dazu, für ihre Überzeugung zu sterben. Man hat ihr beigebracht, dass der Tod der Schande vorzuziehen ist. Ihr Vater redet von Ehre, doch Emilia ist es, die die "Familienehre" wiederherstellt, wozu er nicht in der Lage ist.

Durch den Mord an Appiani wurde Emilia zum Schloss des Prinzen getrieben. Dort angekommen, befand sie sich in einem Gefängnis - und der Prinz schlug die Tür zu. Doch die Gitterstäbe des Gefängnisses bestanden nicht aus Eisen. Sie wurden von ihren eigenen Werten gebildet. Emilia hätte diese "Gitterstäbe" jederzeit formen und an die Situation anpassen können, um so ihr Leben zu retten und aus dem Gefängnis zu fliehen. Doch diesen Schritt wollte sie nicht wagen. Sie zog es vor, stattdessen in der Zelle zu sterben.



3. Bedeutung der Person


Emilia stirbt zum einen aufgrund des Verhaltens des Prinzen, zum anderen aufgrund ihrer strengen, religiösen und tugendhaften Wertvorstellungen. Damit kritisiert Lessing indirekt zum einen den Adel, zum anderen aber auch die religiösen und irrationalen Weltansichten der Gesellschaft zu dieser Zeit.
Er setzt sich für eine weniger religiöse und weltoffenere Haltung ein. Bereits geringe Situationsanpassungen ihrer Werte hätten Emilia gerettet - genauso wie eine weniger fromme Erziehung, die sie nicht nur flexibler gemacht, sondern auch den Umgang mit dem anderen Geschlecht einigermaßen gelehrt hätte. So wäre es ihr vermutlicher eher möglich gewesen, auf den Prinzen angemessen und selbstbewusst, statt ängstlich-verschüchtert bis teilweise versteckt-interessiert zu reagieren.
Lessing nimmt damit seine typische Position der Aufklärung ein, die sich stark für eine weltlichere, vernünftigere, weniger religiöse und abergläubische Haltung der Menschen einsetzte.
Vernunft hätte Emilia und ihrem Vater sicherlich eher weitergeholfen als der wirre Glaube an die "Ehre".
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