Michael Berg (Thema: Der Vorleser)

Wichtige Merkmale der Person "Michael Berg" in Schlinks "Der Vorleser"

1. Lebenslauf


  • 1943: Michael wird geboren
  • Teil 1
  • 1958: Erkrankung an Gelbsucht
  • Um 1958: Mit 15 Jahren lernt er die deutlich ältere Frau Hanna Schmitz kennen und beginnt eine Beziehung mit dieser.
  • Um 1958: Michael beginnt mit dem Vorlesen für Hanna.
  • Um 1958: Das drohende Sitzenbleiben kann er durch Lernen abwenden. In der Folgezeit meistert er die Schule ohne große Probleme.
  • Um 1958: Nach der Versetzung lernt er in der nächsten Klasse Sophie kennen. Beide verstehen sich auf Anhieb. Zeitweise macht sich Michael Gedanken darüber, ob Sophie eventuell eine bessere Partnerin wäre als Hanna (zu einer ernsthaften Beziehung kommt es aber nie).
  • 1959: Ausflug über Ostern mit Hanna.
  • 1959: Michael lädt Hanna zu sich nach Hause ein. Diese bewundert fasziniert die Bücher von Michaels Vater.
  • 1959: Hanna verschwindet plötzlich aus der Stadt -> Trennung
  • Teil 2
  • Nach 1959: Starke Schuldgefühle plagen ihn. Er glaubt, dass er Hanna verraten und sie ihn deshalb verlassen habe.
  • Einige Jahre später: Michael beginnt ein Jurastudium. Sein Charakter hat sich nach außen hin deutlich verändert. Er wirkt egoistisch und kaltherzig.
  • Ebenfalls um diese Zeit: Nach einem mehrjährigen Aufenthalt im Sanatorium kehrt Sophie zurück und ist recht hilflos. Michael macht sich an sie heran, nur um sie ins Bett zu kriegen. Unter Tränen stellt Sophie seinen Wandel fest.
  • Um 1966: Der Gerichtsprozess gegen Hanna beginnt. Als junger Jurastudent nimmt Michael an einem NS-Seminar eines Uni-Professors teil, welches den Prozess beobachtet.
  • Um 1966: Durch den Prozess kommt Michael im Gerichtssaal wieder in Kontakt mit Hanna, kann aber nicht mit dieser sprechen.
  • Um 1966: Michael realisiert, dass Hanna Analphabetin ist.
  • Um 1966: Michael besucht das KZ Struthof in der Hoffnung, Hannas Verhalten besser verstehen zu können.
  • Um 1966: Michael fragt sich, ob er dem Richter von Hannas Analphabetismus erzählen sollte (dies würde einige Hinweise gegen Hanna entkräften). Er spricht mit seinem Vater über das Problem. Dieser rät ihm, mit Hanna zu sprechen.
  • Um 1966: Michael spricht stattdessen mit dem Richter. Das Gesprächsthema kommt aber nicht auf Hanna bzw. auf deren Analphabetismus.
  • Um 1966: Hanna wird zu einer Lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
  • Teil 3
  • 1966-1968: Michael baut wieder eine emotionale Schutzhülle um sich auf und meidet Kontakte. Bei einem Krankenhausaufenthalt kommen aber wieder die Erinnerungen an Hanna hervor. In dieser Zeit lernt er auch Gertrud kennen.
  • 1968: Michael beginnt sein Referendariat.
  • 1968: Die Studentenbewegung beginnt. Er fühlt sich aber den Werten dieser Bewegung nicht verbunden.
  • 1968: Michael heiratet Gertrud, da diese ein Kind erwartet. Kurz darauf wird seine Tochter Julia geboren.
  • 1973: Michael und Gertrud scheiden sich.
  • Folgezeit: Michael beginnt mit Hanna über Kassetten Kontakt aufzunehmen (er liest aus Büchern vor und lässt dies von einem Rekorder aufnehmen). Bald darauf schreibt Hanna Briefe zurück über die er sich freut, auf die er aber nie antwortet.
  • Folgezeit: Michael kümmert sich um eine Wohnung und einen Job für Hanna, sodass sie in ihrer Zeit nach der Haft nicht hilflos dasteht.
  • Folgezeit: Michael besucht Hanna. Sie hat sich aus seiner Sicht unangenehm verändert (er erkennt sie kaum wieder). Er kann nicht mehr den alten Kontakt zu ihr herstellen.
  • Folgezeit: Hanna bringt sich um.
  • Folgezeit: Im Herbst nach Hannas Tod fährt er nach New York um einer Frau, die mit ihrer Mutter den Brand der Kirche überlebt hat, Hannas Erspartes zu übergeben. Er erzählt der ihr von seiner Beziehung mit Hanna.
  • Folgezeit: Michael besucht ein einziges Mal Hannas Grab. Er veröffentlicht außerdem ein Buch über seine Beziehung zu Hanna.


2. Verlauf: Schule und Karriere


Die Handlung des Romans setzt ein, während Michael bereits in der Schule ist. Durch seine Gelbsucht (siehe Anfang Teil 1) hat er dort allerdings zu diesem Zeitpunkt einen erheblichen Lernrückstand und droht sitzen zu bleiben. Nur durch die Anweisung Hannas, dass er für die Schule mehr lernen solle, schafft er das Schuljahr. In der nachfolgenden Zeit (nach der Trennung von Hanna) erhält er sein Abitur und beginnt ein Jurastudium. Nach Abschluss des Studiums fängt er mit dem Referendariat an. Später arbeitet er zuerst für einen Professor an der Erforschung der Rechtsgeschichte, danach ist er bei einer Forschungseinrichtung angestellt (wo er ebenfalls die Rechtsgeschichte erforscht).

Michael hätte auch nach dem Referendariat Richter oder (Staats-)Anwalt werden können, entschied sich aber bewusst dagegen. Sein Bild dieser Berufe war vom Gerichtsprozess (Teil 2) negativ geprägt. Seine Frau Gertrud betrachtete sein Verhalten als einen Akt der Vermeidung:
Zitat: S.171 (unten)
Gertrud sagte, das sei eine Flucht, eine Flucht
vor der Herausforderung und Verantwortung des Lebens, (...)


3. altersübergreifende Merkmale


  • Michael handelt irrational bzw. auf Grundlage seiner Emotionen. Entscheidungen, die er mithilfe seines Verstandes getroffen hat, setzt er häufig nicht gleichermaßen um:
    Zitat: S.21/22
    Ich denke, komme zu einem Ergebnis,
    halte das Ergebnis in einer Entscheidung fest und
    erfahre, daß das Handeln eine Sache für sich ist und der
    Entscheidung folgen kann, aber nicht folgen muß.
  • Michael vermeidet ungewöhnlich häufig ihm unangenehme Situationen (ergibt sich teilweise aus dem ersten Punkt). So wagt er es nicht sich mit Hanna zu streiten, da er Zurückweisungen fürchtet - selbst dann, wenn er im Recht ist. Er erzählt auch seinen Schulkameraden nichts von Hanna.

    Zitat: S.74, Michael zusammen mit Sophie
    Aber wie wir da standen, (...)
    hatte ich das Gefühl, daß ich ihr [Sophie], gerade
    ihr von Hanna erzählen müßte. "Vielleicht kann ich
    ein andermal darüber reden."
    Aber es kam nie dazu.

    Selbst seiner langjährigen Frau Gertrud verschweigt er die Beziehung zu Hanna.
    Weiteres Vermeidungsverhalten beweist er, als sein Vater ihm angeraten hatte mit Hanna über ihren Analphabetismus zu sprechen. Statt dies zu tun, ging er lieber zum Richter und vermied somit das Gespräch mit Hanna.
  • Passend zum letzten Punkt: Michael neigt auch zu Verdrängung und emotionaler Abschottung. Dies wird besonders deutlich nach der plötzlichen Trennung von Hanna (Teil 1). Michael ändert daraufhin seinen Charakter und präsentiert sich selbst als arrogante, abweisende Person. Dadurch verringert er die Wahrscheinlichkeit, von anderen Personen emotional verletzt zu werden und gibt seinen eigenen seelischen Schmerz an andere weiter. Auch die Verdrängung spricht er offen an:

    Zitat: S.84 (Mitte)
    Wenn ich länger zurückdenke (...)
    weiß ich, daß ich die Erinnerung an Hanna zwar verabschiedet, aber
    nicht bewältigt hatte.
  • Michael hat durch das gesamte Stück hindurch ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater. Dieser verhält sich offensichtlich gegenüber seiner Familie sehr emotionsarm und distanziert. Offensichtlich existierte keine wirkliche emotionale Bindung zwischen Michael und seinem Vater.

    Zitat: S.31 (oben)
    Manchmal hatte ich das Gefühl, wir, seine Familie, seien
    für ihn wie Haustiere.
    (...) Ich hätte gerne gehabt, daß wir, seine Familie, sein
    Leben gewesen wären.

    Als Vater macht es Michael selbst allerdings auch nicht besser. Er ist zu diesem Zeitpunkt ähnlich distanziert und durch die Trennung von Gertrud verweigert er indirekt seiner Tochter eine stabile Beziehung.
  • Genauso wie zu seinem Vater hat Michael auch zu seiner Mutter ein gestörtes Verhältnis.

    Zitat: S.166 (Mitte)
    Gesina, eine Psychoanalytikerin, meinte, ich müsse mein
    Verhältnis zu meiner Mutter aufarbeiten. Falle mir nicht
    auf, daß meine Mutter in meiner Geschichte kaum vorkomme?

    Zitat: S.29 (oben)
    Vor den Herd hatte meine Mutter einen
    Stuhl gerückt, auf dem ich stand, während sie mich wusch
    und ankleidete. Ich erinnere mich an das wohlige Gefühl (...).
    Ich erinnere mich auch, daß, wann immer mir die Situation in
    Erinnerung kam, ich mich fragte, warum meine Mutter
    mich so verwöhnt hat. War ich krank?

    Für Michael übernimmt Hanna später die Mutterrolle. Da er zu dieser allerdings auch gleichzeitig eine sexuelle Beziehung hat, ist dieser Austausch der Bezugsperson sehr problematisch im Hinblick auf seine psychische Entwicklung.

Kommentare (24)

Von neu nach alt
Das Erstellen neuer Kommentare ist aufgrund der Einführung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) derzeit deaktiviert.
Wir bitten um ihr Verständnis.
88
Adolf Hitler (Gast) #
Toll
ArnoNuehm (Gast) #
Danke es hat mir sehr geholfen bei meinem Lesetagebuch über den Vorleser. Die Informationen wahren sehr hilfreich für mich nochmal vielen Dank
Johann (Gast) #
Danke! Ist sehr hilfreich
ArnoNuehm (Gast) #
Danke! Ist sehr hilfreich
ArnoNuehm (Gast) #
Hat echt super geholfen
Scheiss deutscharbeit
ArnoNuehm (Gast) #
nice
ArnoNuehm (Gast) #
Super
ArnoNuehm (Gast) #
Danke war sehr hilfreich
Faisal (Gast) #
Du hast mir bei meinem lesetagebuch geholfen danke nochmals
ArnoNuehm (Gast) #
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. OK