Der Zauberlehrling (Thema: Goethe, Johann Wolfgang von)

Interpretation, Inhalt und Analyse zur Ballade "Der Zauberlehrling" von Johann Wolfgang von Goethe

1. Die Ballade im Original


1 Hat der alte Hexenmeister
2 sich doch einmal wegbegeben!
3 Und nun sollen seine Geister
4 auch nach meinem Willen leben.
5 Seine Wort und Werke
6 merkt ich und den Brauch,
7 und mit Geistesstärke
8 tu ich Wunder auch.

9 Walle! walle,
10 manche Strecke,
11 daß, zum Zwecke,
12 Wasser fließe
13 und mit reichem, vollem Schwalle
14 zu dem Bade sich ergieße.

15 Und nun komm, du alter Besen!
16 Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
17 bist schon lange Knecht gewesen:
18 nun erfülle meinen Willen!
19 Auf zwei Beinen stehe,
20 oben sei ein Kopf,
21 eile nun und gehe
22 mit dem Wassertopf!

23 Walle! walle,
24 manche Strecke,
25 daß, zum Zwecke,
26 Wasser fließe
27 und mit reichem, vollem Schwalle
28 zu dem Bade sich ergieße.

29 Seht, er läuft zum Ufer nieder,
30 Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
31 und mit Blitzesschnelle wieder
32 ist er hier mit raschem Gusse.
33 Schon zum zweiten Male!
34 Wie das Becken schwillt!
35 Wie sich jede Schale
36 voll mit Wasser füllt!

37 Stehe! stehe!
38 denn wir haben
39 deiner Gaben
40 vollgemessen! -
41 Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
42 Hab ich doch das Wort vergessen!

43 Ach, das Wort, worauf am Ende
44 er das wird, was er gewesen.
45 Ach, er läuft und bringt behende!
46 Wärst du doch der alte Besen!
47 Immer neue Güsse
48 bringt er schnell herein,
49 Ach! und hundert Flüsse
50 stürzen auf mich ein.

51 Nein, nicht länger
52 kann ichs lassen:
53 Will ihn fassen.
54 Das ist Tücke!
55 Ach! nun wird mir immer bänger!
56 Welche Mine! welche Blicke!

57 O du Ausgeburt der Hölle!
58 Soll das ganze Haus ersaufen?
59 Seh ich über jede Schwelle
60 doch schon Wasserströme laufen.
61 Ein verruchter Besen,
62 der nicht hören will!
63 Stock, der du gewesen,
64 steh doch wieder still!

65 Willst am Ende
66 gar nicht lassen?
67 Will dich fassen,
68 will dich halten
69 und das alte Holz behende
70 mit dem scharfen Beile spalten.

71 Seht da kommt er schleppend wieder!
72 Wie ich mich nur auf dich werfe,
73 gleich, o Kobold, liegst du nieder;
74 krachend trifft die glatte Schärfe.
75 Wahrlich, brav getroffen!
76 Seht, er ist entzwei!
77 Und nun kann ich hoffen,
78 und ich atme frei!

79 Wehe! wehe!
80 Beide Teile
81 stehn in Eile
82 schon als Knechte
83 völlig fertig in die Höhe!
84 Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

85 Und sie laufen! Naß und nässer
86 wirds im Saal und auf den Stufen.
87 Welch entsetzliches Gewässer!
88 Herr und Meister! hör mich rufen! -
89 Ach, da kommt der Meister!
90 Herr, die Not ist groß!
91 Die ich rief, die Geister
92 werd ich nun nicht los.

93 "In die Ecke,
94 Besen, Besen!
95 Seids gewesen.
96 Denn als Geister
97 ruft euch nur zu diesem Zwecke,
98 erst hervor der alte Meister."



2. Die Ballade, übersetzt in modernes Deutsch, mit Reimschema



Selbstüberschätzung und Machtgier
a | Hat der alte Hexenmeister
b | sich doch einmal wegbegeben!
a | Und nun sollen seine Geister
b | auch nach meinem Willen leben.
c | Seine Wort und Werke
d | merkt ich und den Brauch,
c | und mit Geistesstärke
d | tu ich Wunder auch.
Endlich ist mein (Magie-)Lehrmeister einmal weg.
Die Gelegenheit will ich nutzen, um Geister zu beschwören, die für mich arbeiten.
Zum Glück habe ich mir die nötigen Zaubersprüche und das notwendige Vorgehen beim Zaubern gemerkt.
Zusammen mit meiner Intelligenz und meinen Fähigkeiten werde ich Wunder vollbringen!
e | Walle! walle
f | manche Strecke,
f | daß, zum Zwecke,
g | Wasser fließe
e | und mit reichem, vollem Schwalle
g | zu dem Bade sich ergieße.
Geh', geh' los!
Egal wohin, egal wie weit,
nur eines sollst du tun:
Bring' mir Wasser
und gieß' es in die Wanne (zum Baden)!

Die Tat
a | Und nun komm, du alter Besen!
b | Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
a | bist schon lange Knecht gewesen:
b | nun erfülle meinen Willen!
c | Auf zwei Beinen stehe,
d | oben sei ein Kopf,
c | eile nun und gehe
d | mit dem Wassertopf!
Komm her, Besen!
Ziehe die alten, verdreckten Kleider an,
denn du bist ohnehin schon lang genug ein Diener gewesen.
Heute jedoch, heute wirst du meinen Willen erfüllen!
Heute wirst du auf zwei Beinen stehen,
und sollst, wie ein Mensch, einen Kopf haben.
Nun gehe los, beeile dich,
doch vergiss den (Wasser-)Eimer nicht!
e | Walle! walle
f | manche Strecke,
f | daß, zum Zwecke,
g | Wasser fließe
e | und mit reichem, vollem Schwalle
g | zu dem Bade sich ergieße.
Geh', geh' los!
Egal wohin, egal wie weit,
nur eines sollst du tun:
Bring' mir Wasser
und gieß' es in die Wanne (zum Baden)!

Machtrausch
a | Seht, er läuft zum Ufer nieder,
b | Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
a | und mit Blitzesschnelle wieder
b | ist er hier mit raschem Gusse.
c | Schon zum zweiten Male!
d | Wie das Becken schwillt!
c | Wie sich jede Schale
d | voll mit Wasser füllt!
Und tatsächlich: Es funktioniert, der Besen läuft zum Fluss,
jetzt ist er dort angekommen,
er ist blitzschnell, schon auf dem Weg zurück!
Und kaum ist das erste Wasser in der Wanne,
da kommt er schon mit neuem an!
Die Wanne füllt und füllt sich immer voller,
und nun schütt' er auch in jede Schale, jede Tasse,
das Wasser, voll bis an den Rand!
e | Stehe! stehe!
f | denn wir haben
f | deiner Gaben
g | vollgemessen! -
e | Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
g | Hab ich doch das Wort vergessen!
Steh, steh Besen!
Denn das Wasser,
das du gebracht hast,
ist bereits so viel, wie ich will!
Aber jetzt fällt es mir auf, oh nein, oh nein:
Ich den Zauberspruch vergessen!

Angst
a | Ach, das Wort, worauf am Ende
b | er das wird, was er gewesen.
a | Ach, er läuft und bringt behende!
b | Wärst du doch der alte Besen!
c | Immer neue Güsse
d | bringt er schnell herein,
c | Ach! und hundert Flüsse
d | stürzen auf mich ein.
Ich hab den Zauberspruch vergessen, der das alles stoppt,
der den Besen wieder zum echten, hölzernen Besen macht.
Jetzt läuft er weiter, bringt und bringt immer mehr Wasser.
Ach, wärst du doch nur wieder der alte Besen, alles wär' perfekt.
Wasser, immer mehr Wasser,
er bringt und bringt, blitzschnell,
Wasser, immer mehr Wasser. Ganze Flüsse,
ganze Meere, scheinen nun mich zu erdrücken!
e | Nein, nicht länger
f | kann ichs lassen:
f | Will ihn fassen.
g | Das ist Tücke!
e | Ach! nun wird mir immer bänger!
g | Welche Mine! welche Blicke!
So geht das nicht weiter,
so kann ich ihn nicht fortfahren lassen.
Ich will ihn fangen,
mit irgendeiner List.
Was soll ich nur tun? Es ist zum verzweifeln!
Wasser, überall ist nur noch Wasser...

Wut
a | O du Ausgeburt der Hölle!
b | Soll das ganze Haus ersaufen?
a | Seh ich über jede Schwelle
b | doch schon Wasserströme laufen.
c | Ein verruchter Besen,
d | der nicht hören will!
c | Stock, der du gewesen,
d | steh doch wieder still!
Verdammter Besen!
Willst du das ganze Haus unter Wasser setzen?
In allen Räumen, in allen Zimmer,
fließt es schon, fließt das Wasser!
Du verdammter Besen,
der nicht auf mich hört,
du dummes Stück Holz,
hör endlich auf!
e | Willst am Ende
f | gar nicht lassen?
f | Will dich fassen,
g | will dich halten
e | und das alte Holz behende
g | mit dem scharfen Beile spalten.
Willst du denn
gar nicht mehr aufhören?
Ich will dich fassen,
ich will dich halten,
und sobald wie möglich,
mit der Axt zerteilen.

Rettungsversuch, Hoffnung und Enttäuschung
a | Seht da kommt er schleppend wieder!
b | Wie ich mich nur auf dich werfe,
a | gleich, o Kobold, liegst du nieder;
b | krachend trifft die glatte Schärfe.
c | Wahrlich, brav getroffen!
d | Seht, er ist entzwei!
c | Und nun kann ich hoffen,
d | und ich atme frei!
Ah, da kommt er wieder, bringt neues Wasser,
nun werf' ich mich auf ihn, halt ihn fest,
halt ihm am Boden - du sollst dich noch wundern!
Jetzt trifft ihn meine Axt!
Ja, gut getroffen!
Schon ist der Besen zerteilt.
Jetzt kann ich wieder hoffen,
kann mich wieder besser fühlen.
e | Wehe! wehe!
f | Beide Teile
f | stehn in Eile
g | schon als Knechte
e | völlig fertig in die Höhe!
g | Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Oh nein, oh nein,
beide Besenteile
stehen wieder auf,
sind wieder neue Knechte,
bereit, neues Wasser herzuholen!
Geister, Götter, helft mir doch!

Neue Verzweiflung und Hilferuf
a | Und sie laufen! Naß und nässer
b | wirds im Saal und auf den Stufen.
a | Welch entsetzliches Gewässer!
b | Herr und Meister! hör mich rufen! -
c | Ach, da kommt der Meister!
d | Herr, die Not ist groß!
c | Die ich rief, die Geister
d | werd ich nun nicht los.
Jetzt laufen die Besen los. Schütten Wasser, immer mehr Wasser,
in den Saal und auf die Treppe. Nasser, immer nasser,
Oh, ich hasse dieses Wasser!
Mein Lehrmeister, wo bist du nur?
Ah, da kommt er ja!
(zum Meister:) Meister, ich weiß nicht mehr weiter.
Die Geister, die ich rief,
ich werd' sie nicht mehr los!

Lösung
e | "In die Ecke,
f | Besen, Besen!
f | Seids gewesen.
g | Denn als Geister
e | ruft euch nur zu diesem Zwecke,
g | erst hervor der alte Meister."
(Der Meister:) In die Ecke mit euch,
ihr Besen!
Werdet wieder, was ihr einmal wart.
Denn als Geister, als Diener,
zu diesem Zweck
darf euch nur der Meister selbst herbeirufen (und kein Lehrling)




3. Entstehung der Ballade


Die Ballade "Der Zauberlehrling" wurde von Goethe 1797 verfasst und wurde kurz darauf Teil des sogenannten "Musen-Almanachs", der von Friedrich Schiller herausgegeben wurde. Während dieser Zeit waren Schiller und Goethe eng befreundet und pflegten einen regen Briefverkehr.

Beim Schreiben des Zauberlehrlings wurde Goethe vermutlich von der Geschichte "Der Lügenfreund oder der Unglaubige" vom griechischen Dichter "Lukian von Samosata" inspiriert. In dieser wird, genauso wie in Goethes Werk, ebenfalls ein Besen verzaubert und dadurch zum Knecht verwandelt. Doch auch in diesem Fall kann sich der Protagonist nicht mehr an den Zauberspruch erinnern, um den Besen wieder zu stoppen. Erst der Meister kann die drohende Katastrophe in Lukians Geschichte durch sein Eingreifen abwenden.


4. Warum ist es eine Ballade und kein Gedicht?


Balladen sind sehr ähnlich zu Gedichten, deshalb kann man beides leicht miteinander verwechseln.
Balladen sind wie folgt definiert:
  • Es sind in Liedform geschriebene Erzählgedichte, also Gedichte, die eine Geschichte erzählen (sonst werden in Gedichten meist Emotionen oder kurze Eindrücke dargestellt, keine kompletten Geschichten).
  • Die Geschichte soll ein auffallendes Ereignis beschreiben.
  • Der Erzählstil soll emotionsgeladen sein.
  • Der Erzähler spricht meist in der dritten, manchmal auch in der ersten Person.
  • Sie haben häufig einen hohen Anteil an Dialogen.
Insbesondere die ersten drei Punkte treffen auf den Zauberlehrling zu. Die Ballade verfügt über einen Refrain (oder zumindest über etwas stark vergleichbares) und erzählt eine in sich geschlossene Geschichte. Das Ereignis ist zweifelsohne auffallend und der Lehrling macht mehrere verschiedene intensive Stimmungen durch.



5. Inhalt


Der Lehrmeister ist ausgegangen, der Zauberlehrling ist allein. Was liegt da schon näher, als mal über die Strenge zu schlagen, als einmal all das zu tun, was der Meister einem bis dato untersagt hat? Nichts, denkt sich zumindest der Lehrling. Obwohl er bisher keine größeren Erfahrungen im Umgang mit Magie gesammelt hat, ist er dennoch davon überzeugt, bereits herausragende Fähigkeiten zu besitzen. Ja, er könne gar Wunder bewirken, glaubt er. Und, was das wichtigste ist, er hat einen der Zaubersprüche seines Meisters mitgehört.

Geschwind macht er sich ans Werk und verzaubert ohne große Mühen einen der Besen. Dieser habe ohnehin während seines Daseins auf Erden schon genug gedient, jetzt solle er einmal ihm, dem Zauberlehrling, Untertan sein - und warum sollte man sich als Mensch schon selbst abmühen, um etwas Wasser vom Fluss zu holen, wenn das auch mit ein wenig Magie ein kleines Stück Holz für einen machen kann?

Die Verzauberung wird zum vollen Erfolg - zunächst zumindest. Der Besen läuft in Windeseile los und tut, wie ihm befohlen wurde. Eimer für Eimer für Eimer holt er immer mehr Wasser herbei. Bereits nach kurzer Zeit meint der Zauberlehrling, dass es nun genug Wasser im Schloss gebe und will gerade den Zauberspruch anwenden, um den Besen wieder zurückzuverwandeln, da fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Er hat gerade diesen wichtigen Zauberspruch vergessen.

So bleibt ihm nichts anderes übrig als dabei zuzusehen, wie der Besen unermüdlich immer mehr und mehr Wasser vom Fluss herbeiholt. Eimer für Eimer wird im Schloss ausgeschüttet und bald stehen bereits die Zimmer unter Wasser. Dem Zauberlehrling wird bei der ganzen Sache zunehmend bange. Was der Meister wohl zu der ganzen Angelegenheit sagen wird?

Er versucht sich zunächst im guten Zureden, wird bald darauf wütend und schreit den Besen in einer Mischung aus Entrüstung und Verzweiflung an. Aber der Besen hört nicht. Er holt weiter Wasser herbei. Eimer für Eimer.

Schließlich heckt der Zauberlehrling einen Plan aus, um dem ganzen ein Ende zu setzen. Diesmal aber nicht mit freundlichem Zureden - diesmal mit einer Axt. Manchmal führt eben auch Gewalt zum Ziel.
Er lauert dem Besen auf, überfällt ihn, fängt ihn, hält ihn fest und drückt ihn zu Boden. Ein Schlag, dann ist der Besen entzwei gebrochen.

Endlich scheint die ganze Sache gelöst. Scheint, denn es dauert nicht lange, da steht der Besen wieder auf, um neues Wasser zu holen - diesmal aber mit einem kleinen Bruder im Schlepptau. Und so wird wieder aufs neue das Wasser im Schloss vergossen. Eimer für Eimer für Eimer.

Für den Zauberlehrling wird die Situation zunehmend auswegs- und auch aussichtsloser. Nachdem der letzte Rettungsversuch fehlgeschlagen ist, weiß er sich nicht mehr selbst aus seiner Lage zu befreien. Er erkennt, dass er sich mit seiner Zauberei übernommen und seine Fähigkeiten überschätzt hat. Verzweifelt ruft er nach seinem Meister und es dauert nicht lang, da kommt dieser auch herbei gelaufen. Der Meister sieht den Schlamassel, spricht gelassen einen kurzen Zauber aus und schon ist das Problem wieder gelöst. Natürlich lässt er sich aber nicht nehmen, den Besen noch zurechtzuweisen: Nur einem Meister solle dieser dienen - und nicht einem einfachen Zauberlehrling.



6. formaler Aufbau


Die Ballade besteht aus insgesamt 14 Strophen. Deutlich tritt der Unterschied zwischen den Refrains (jede zweite Strophe) und den „normalen” Strophen zu tage.

Die Refrainstrophen bestehen aus jeweils sechs Versen von denen durchweg die ersten vier kürzer sind als die letzten beiden. Das Reimschema ist a-b-b-c-a-c. Es handelt sich also um einen umarmenden Reim (a), einen Paarreim (b) und einen Kreuzreim (c).

Die „normalen” Strophen bestehen aus jeweils acht Versen, die von der Länge her zunächst etwa auf Höhe des letzten Verses der vorhergehenden Refrainstrophe beginnen und dann tendenziell zum letzten Vers hin kürzer werden. Das Reimschema ist a-b-a-b-c-d-c-d, also ein typischer Kreuzreim.

Das Metrum ist ein durchgängiger Trochäus (betont unbetont betont unbetont usw.). Die Kadenzen sind allesamt weiblich bzw. klingend.

Aus formaler Sicht am auffälligsten ist zweifelsohne der unterschiedliche Aufbau zwischen normalen Strophen und Refrainstrophen. Während Goethe für erstgenannte einen typischen Kreuzreim verwendet hat, entschied er sich bei den Refrains für die sehr ungewöhnliche Reimform a-b-b-c-a-c, was diese Strophe nicht nur hervorhebt und von den anderen deutlich abgrenzt, sondern ihnen auch einen gewissen Touch des anormalen, oder auch – wie in diesem Fall – des magischen verleit. Diese Strophen sind es denn auch, in denen der Zauberlehrling oder der Meister einen Spruch aussprechen, oder dies zumindest versuchen.
Weiterhin sticht das absolut durchgängige Metrum ins Auge. Offensichtlich lässt sich eine Verbindung zwischen dem sich ständig wiederholenden Versmaß (betont unbetont, betont unbetont, betont unbetont...) und dem sich ebenso wiederholenden Verhalten des unermüdlich Wasser herbeischaffenden Besens ziehen.

Abgesehen davon kann man mit etwas Fantasie im Aufbau der Verse ein gewisses Wellenmuster ausmachen. So beginnen die normalen Strophen mit langen Versen, die zum Ende hin kürzer werden, während die Refrainstrophen kurz beginnen und dann immer länger werden. Dieses Wellenmuster würde das Element des Wassers verbildlichen und die ständige Wiederholung noch einmal unterstreichen. Ob die Länge der Verse allerdings nur zufällig dieses Bild ergibt, oder ob diese ganz bewusst von Goethe so gestaltet wurden, bleibt u


7. Interpretation


Zunächst ist es wichtig zu erkennen, wie die Ballade strukturiert ist. Sie lässt sich in drei deutlich voneinander abgetrennte Bereiche einteilen (die Abgrenzungen wurden von Goethe durch Bindestriche verdeutlicht):
  • Teil 1 (Vers 1-40 / 40 Verse): Der Zauberlehrling führt die „Tat” durch und ist völlig berauscht von deren vermeintlich positivem Verlauf. Das Problem wird geschaffen
  • Teil 2 (Vers 41-88 / 47 Verse): Der Zauberlehrling erkennt, dass er den Zauberspruch nicht mehr rückgängig machen kann und versucht irgendwie das Problem wieder in den Griff zu bekommen, scheitert aber daran. Versuch der Problemlösung
  • Teil 3 (Vers 89-98 / 10 Verse): Der Meister kommt, erkennt die tragweite der Situation und bringt die Misere wieder in Ordnung. Das Problem wird gelöst
Weiterhin macht der Zauberlehrling mehrere unterschiedliche Stimmungen/Zustände durch, welche die eigentliche Botschaft untermalen. Diese sind nacheinander:
  • Machtgier, Neugierde und Selbstüberschätzung
  • Machtrausch
  • Angst und Beklemmung
  • Wut
  • Verzweiflung (und darauf folgender Hilferuf)

Wie man schnell beim Lesen der Ballade erkennen kann, ist das wohl wichtigste Thema in dieser der Kontrast zwischen vermeintlichem und tatsächlichem Können, der Gegensatz zwischen Amateurhaftigkeit und Professionalität. Der Zauberlehrling ist nicht nur inkompetent in Bezug auf die Magie, er ist sich dieser Tatsache auch nicht bewusst. Der Hexenmeister dagegen lässt sich als bewusst kompetent beschreiben.

Besonders interessant ist nun die Verbindung zwischen dem Thema und den oben genannten Einteilungen der Ballade. So lässt sich erkennen, dass der Zauberlehrling zunächst, im ersten Teil, voller Freude über die Abwesenheit seines Lehrmeisters ist: Alle ihm von diesem auferlegten Barrieren und Beschränkungen, alle Verbote verlieren kurzfristig ihre Bedeutung. Wie wohl die meisten jungen Menschen in solch einer Situation will er unbedingt einmal seine Fähigkeiten unter Beweis stellen und tun, was sonst nur den Meistern erlaubt ist:
Zitat: Vers 3-4
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Das Fatale daran ist, dass er dabei unter einer gefährlichen Kombination aus Erfahrungslosigkeit, welche sich später beim Versuch der Rückverwandlung bemerkbar macht, sowie grenzenloser Selbstüberschätzung leidet.
Zitat: Vers 8-9, Selbstüberschätzung
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.

Des Zauberlehrlings Magieversuch glückt – zunächst – sodass sich bei ihm ein Zustand des Machtrausches und des Glücks breit macht. Freudig beobachtet er, wie der Besen genau das tut, was er von ihm verlangt hat, wie etwas einmal ihm dient (sonst muss er schließlich immer dem Meister dienen). Anscheinend ist dies das erste richtige Feedback, das er in Bezug auf seine magischen Fähigkeiten bekommt und dieses sagt letztlich einzig und allein: „Der Zauberspruch ist Dir geglückt. Du kannst es! Du bist genauso gut wie der Meister!” Klar, dass man dann als Lehrling etwas den Boden unter den Füßen verlieren kann.

Ab Vers 41 (in Teil 2) kommt dann die Ernüchterung. Er bemerkt, dass er den Zauberspruch zur Rückverwandlung des Besens vergessen hat. Schnell realisiert er die Tragweite dieses Problems und bekommt es mit der Angst zu tun:
Zitat: 49-50
Ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.

Er versucht, die Situation notdürftig wieder zum Besseren zu wenden und bemüht sich, den Besen per Rhetorik zum Anhalten zu bringen. Es ist letztlich aber nur ein kläglicher Versuch, sich selbst von der einzig wichtigen Tatsache abzulenken, welche besagt, dass seine zunächst wahrgenommenen Fähigkeiten nicht der Realität entsprechen.
Bald muss er daher auch erkennen, dass sein gutes Zureden ihm nicht sonderlich weiterhilft. Beständig bringt der Besen wieder und wieder neues Wasser herbei, egal was der Zauberlehrling sagt. Diese ständige Wiederholung ist wie ein nicht ignorierbarer Nachweis für die Inkompetenz und Erfahrungslosigkeit des Lehrlings, für die Tatsache, dass er der Situation einfach nicht gewachsen ist. Verständlich, dass er sich daher mit jeder weiteren Wiederholung schlechter und schlechter fühlt; ein Umstand, der, wie so oft in solchen Situationen, aber nicht gleich zur Regression führt. Stattdessen macht sich Wut breit. Wut, über die vermeintliche Erbarmungslosigkeit des Besens:
Zitat: Vers 57, 61-62
57 O du Ausgeburt der Hölle!
(...)
61 Ein verruchter Besen,
62 der nicht hören will!

Aus der Wut wird schnell Aggression. Der Zauberlehrling unternimmt eine letzte Anstrengung, die Realität zu seinen Gunsten zu verändern und die Einbildung seiner Kompetenz aufrecht zu erhalten, indem er versucht, den Besen mit Gewalt zu stoppen. Der Versuch misslingt aber und kehrt sich stattdessen gegen ihn.
Von diesem Zeitpunkt an kann der Zauberlehrling nicht mehr vor der Realität davonlaufen, die Illusion bricht in sich zusammen. Er sieht schließlich ein, dass er sich selbst überschätzt hat und empfindet Reue für sein Handeln, ein Umstand, der sich im wohl bekanntesten Abschnitt der Ballade manifestiert:
Zitat: Vers 91-92
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.

Er geht sogar noch darüber hinaus und ruft offen nach Hilfe:
Zitat: Vers 84, 88
84 Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
(...)
88 Herr und Meister! hör mich rufen! -

Erst als er diesen Schritt geht, erst als er seinen Mangel an Fähigkeiten genauso wie seine Unfähigkeit, die Situation jemals wieder zum besseren kehren zu können, zugibt, erst als er Reue empfindet und einsieht, falsch gehandelt zu haben, erst dann beginnt sich seine Lage wieder zu verbessern.
Wie durch Magie erscheint sein Meister, kaum dass er nach diesem gerufen hat und der dritte Teil der Ballade wird eingeleitet. In gerade einmal 10 Versen erkennt der Meister das Problem und löst es (zum Vergleich: etwa 90 Verse hat der Zauberlehrling gebraucht, um das Problem zu schaffen und sich seine Unfähigkeit es zu lösen einzugestehen).

Die Botschaft, die Goethe versucht auf diesem Weg zu vermitteln, ist recht offensichtlich: Überschätze dich niemals selbst, gehe objektiv mit deinen Fähigkeiten um, gestehe dir Hilflosigkeit rechtzeitig ein und zeige Respekt gegenüber den Meistern, den Autoritäten. Diese Botschaft ist sehr universell anwendbar und passt in viele Situationen hinein. So könnte Goethe diese Ballade an all die anderen Dichter seiner Zeit gerichtet haben, die er als Dichterfürst zweifelsohne häufig als dilettantisch bis unfähig betrachtet hat.

Eine andere einleuchtende Betrachtungsweise wäre es, die Ballade als Warnung vor der Technikverliebtheit und der Forschung zu interpretieren. Dies trifft umso mehr zu, wenn man den Meister nicht als Menschen, sondern als Personifikation Gottes betrachtet. In diesem Kontext würde dann auch die Magie passen, denn neue technologische Errungenschaften, wie neue Waffensysteme oder Fortschritte in der Medizin, enthalten stets den Hauch von etwas Aufregendem, etwas Magischem. Goethe könnte hier den Finger heben und mahnen: „Menschheit, überschätz dich nicht selbst, spiel nicht Gott! Du würdest es bereuen.” Dies gilt nicht nur heute im Zeitalter von Atomwaffen und Umweltverschmutzung, dies galt sicherlich auch damals, zumal in diesen Tagen die Aufklärung ihre Hochzeit hatte - und die Aufklärung hatte einen starken Hang zur Wissenschaft und eine starke Abneigung gegenüber der Religion.



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Kommentare (159)

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Die Ballade "Der Zauberlehrling" enthält epische Elemente doch trotzdem ist es keine epische Literatur da es keinen Erzähler gibt.
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